Die Arbeit

Es ist der Atem, der die Stimme trägt; die Stimme ist Ausdruck des Menschen; und alle drei: Atem, Stimme und Mensch unterliegen den Gesetzen der Musik.

Die Musik jedoch wurde schon seit jeher von den Mystikern als das Bild Gottes bezeichnet und umfasst somit die gesamte Schöpfung. Im orientalischen Raum nennt man Gott „Nada Brahma“, was soviel bedeutet wie „Klang-Schöpfer“, und die erschaffene Welt wird als der Gesang bzw. der Atem Gottes angesehen. Folglich wird der Mensch, der sich auf das Abenteuer einlässt, Atem und Stimme zu erforschen, auf diesem Weg auch dem Geheimnis des Lebens und somit sich selbst näher kommen.
Das Institut für Atemzentrierte Stimmbildung verfolgt das Ziel, an die Basis des stimmlichen Ausdrucks zu gelangen und Erfahrungen zu eröffnen im Umgang mit den möglichen stimmlichen Ausdrucksformen ohne eine zwingende Anbindung an ein festgelegtes klangliches System wie z.B. Klassik, Pop, Gospel oder andere musikalische Stilrichtungen, die durch festgeschriebene Gesetze den natürlichen kreativen Stimmausdruck beschränken.

Im Zentrum der Arbeit steht die Bewusstwerdung der kulturellen und gesellschaftlichen Zwänge („du musst so oder so singen, damit es schön klingt“), die als Barriere den freien emotionalen Ausdruck behindern können. Ein essentieller Grundgedanke ist, daß die Stimme eines Menschen wahrhaftig zu musizieren vermag, wenn ihr eine bewusst zugelassene emotionale Entfaltung möglich ist.
Stimme bzw. Stimmausdruck hat immer etwas mit Stimmung und Einstimmung zu tun!!! Darüber hinaus wird ein Mensch, der seine Stimme von Beschränkungen und Festlegungen befreit hat, getragen von der Erfahrung natürlicher Atembewegung, sich in vielen musikalischen Stilrichtungen auszudrücken vermögen.

Die Inhalte der Arbeit bestehen hauptsächlich aus den Themen: Raum, Zentrum, Richtung sowie aus körperlichen bzw. mental-emotionalen Anbindungen und den daraus entstehenden zugelassenen Bewegungen. Mit Bewegung sind hier sowohl bewusste wie auch unbewusste, im Körperwissen eingespeicherte Bewegungsformen gemeint.
Ziel dieser Arbeit ist es, sich eine möglichst große Vielfalt von Klangfarben und musikalischen Bewegungen zu erschließen.
Den zentralen Stützpfeiler der Arbeit bildet die wertfreie Annahme des eigenen Klanges, den Forderungen der Stilistik der jeweiligen Musikrichtung wird erst in zweiter Linie entsprochen.

In der Arbeit erfahren wir den gesamten Körper als ein Klanginstrument. Die Basis der Arbeit ist der Atem, denn dort, wo Atembewegung zugelassen wird, kann der Körper in verschiedene „Muskeltoni“ gehen und somit unterschiedliche Klangfarben hervorbringen.
Grob eingeteilt arbeiten wir mit zwei Atemräumen (oberer und unterer), deren Klänge sehr verschieden erfahren und gehört werden. Ziel der Arbeit ist es, sich den Körper klanglich zu erschließen, um von der Möglichkeit her, mit jedem Organ, Knochen, Muskel oder Körperteil zu singen, und die jeweiligen klanglichen Unterschiede hörbar werden zu lassen.
Atembewegung muss gespürt werden. Um diesen Prozess zu aktivieren, arbeiten wir mit sehr vielen Bewegungen und Bewegungsabläufen. Bewegungen sind jedoch kein Selbstzweck sondern sie tragen nur wirklich Frucht, wenn sie einhergehen mit einem inneren Spüren und Wahrnehmen der eigenen inneren körperlichen Prozesse.

Es geht nicht um ein Festlegen oder um das Erschaffen eines rigiden Wertesystems von richtig oder falsch in Bezug auf Klang und Bewegung sondern um ein Lösen dieser Fixierungen, um alle Klangfarben der Stimme, all ihre Ausdrucksmöglichkeiten in den unterschiedlichen Stilistiken, zu manifestieren ohne Einschränkung oder Behinderung durch ein konditioniertes System. Auf diese Weise kann der Mensch in der Musik, die das Leben in Miniatur ist, wenn nicht das Leben selber, alles erleben und erfahren, in jede Rolle gehen und sämtliche Bewegungen erlauben. Er lernt wieder zu spielen und kann im Idealfall diese Erfahrung auch in sein alltägliches Leben integrieren.